Kommunikationsfrust

Gestern ist es mir einmal wieder passiert: Ich weiche auf dem Weg maximal in den Randbereich aus und denke, dass das dem Entgegenkommenden doch signalisieren müsste: „Hallo, ich nehme die Pandemie ernst und möchte gerne Abstand halten.“ Und wieder wird meine Kommunikation von einem rücksichtslosen Egoisten einfach ignoriert. „Schön, dass sie zur Seite geht. Dann gehört der ganze Weg mir,“ scheint der zu denken: „Ich nehme doch keine Rücksicht. Nein, ich nehme, was ich kriegen kann.“ Folgerichtig versucht er mit nur wenigen Zentimetern Abstand an mir vorbei zu gehen. Da hilft meinerseits nur noch ein beherzter Sprung ins Grüne. Was bei mir zurück bleibt, ist Ärger und Frust:

„Kann oder will dieser Mensch meine Körpersprache nicht verstehen?“

Und auf einmal muss ich an unsere Hunde denken. Wieviel Frust muss sich in manchem von ihnen aufstauen! Frust, verursacht durch andere Hunde und Menschen, die ihre Signale einfach ignorieren. Egal ob aus Unfähigkeit oder aus Ignoranz, Hunde leiden unter diesem Verhalten genauso wie wir Menschen. Und weil dann häufig die Anzeichen für eine zunehmende Frustration auch noch ignoriert werden, kommt es irgendwann vermeintlich aus heiterem Himmel dazu, dass sich das Angestaute entlädt.

Hund & Hund

Unter Hunden erlebt man häufig eine der oben beschriebenen ganz ähnlichen Situation. Leinenlose Pöbler belästigen angeleinte oder gut erzogene Hunde, die sich in der Nähe ihrer Menschen aufhalten und ganz klar zeigen, dass sie kein Interesse an einem näheren Kontakt haben.

Die Ursachen sind vielfältig. Manche Hunde sind einfach schlecht sozialisiert und verstehen die Körpersprache des anderen Hundes nicht. Andere sind wie verzogene Kinder, die nie gelernt haben, Grenzen zu akzeptieren. Und wieder andere sind so gelangweilt, unausgeglichen oder frustriert, dass sie die Signale des anderen bewusst ignorieren, weil sie Ärger haben wollen.

Welche Folgen ein solches Verhalten für den belästigten Hund haben können, habe ich bereits im Artikel „Leinenlos auf Angeleint“ beschrieben.

Hund & Mensch

Wohl am häufigsten ignoriert werden die Beschwichtigungssignale des Hundes. Hunde sind im Allgemeinen nicht an aggressiven Auseinandersetzungen interessiert. Die Gefahr, sich selbst oder ein Rudelmitglied zu verletzen oder den Zusammenhalt zu mindern, und damit die soziale Gruppe zu schwächen, wäre zu groß! Beschwichtigungssignale dienen dazu, dem Gegenüber von Vorneherein zu signalisieren, dass man keinen Ärger möchte. Egal ob ein Hundehalter seinen Hund ungefragt hochhebt, ihn auf den Kopf tätschelt oder ihn an der Leine in Situationen zwingt, denen er eigentlich entkommen möchte, immer wieder könnte er bestimmt beobachten, dass der Hund Beschwichtigungssignale zeigt, weil er das Handeln des Menschen als für ihn bedrohlich einstuft.

Kann er nicht oder will er nicht? Ignoriert der Mensch absichtlich die Signale seines Hundes, weil er meint, der müsse sich halt daran gewöhnen? Hat er einfach keine Lust, auf die Körpersprache seines Hundes zu achten oder sein eigenes Verhalten zu ändern? Oder hat er keine Motivation, sich mit dem Ausdruckverhalten von Hunden zu beschäftigen?

Wie dem auch sei, der Hundehalter sollte sich im Nachhinein nicht über die Folgen des von ihm erzeugten Frustes wundern. Im besten Fall wird sein Hund nur das Vertrauen in seinen Menschen verlieren oder seine Nähe meiden, im schlimmsten Fall kann es auch zu Beißvorfällen kommen.